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Benedikt XVI. Eine aufgeklärte Lehrautorität

Das Pontifikat von Papst Benedikt XVI. konnte nicht anders als kurz sein. Deswegen war es intensiv und fruchtbar. Sein Inhalt, der seit Langem durch ein Leben des Studiums, des Gebets und der Lehre vorbereitet worden war, fand seine Krönung in seiner Lehrautorität an der Spitze der Kirche, die er nicht angestrebt hat, die er jedoch bis zu dem von der göttlichen Vorsehung festgesetzten Ende ausgeübt hat. In dieser entscheidenden Stunde, da der neue Papst seine Nachfolge antritt, ist es von Nutzen, die grundlegenden Inhalte dieser Lehre herauszustellen.

2005: Eine schwierige, aber überzeugende Nachfolge

Die Nachfolge von Johannes Paul II. anzutreten verlangte viel Mut und Glauben, und zwar wegen des außergewöhnlichen Charakters seines Pontifikates und der zunehmenden Schwierigkeiten, die überall auf der Welt nach seinem Tod sichtbar wurden. Benedikt XVI. hat damals nicht verschwiegen, dass er seine Aufgabe eher darin sähe, das Werk seines berühmten Vorgängers fortzusetzen, als das seine voranzubringen. Es ist ihm jedoch gelungen, beides zu tun.
Benedikt XVI. war schnell gewählt worden und war durch seine Vergangenheit als Professor und die Nähe zu Johannes Paul II., die sein Amt ihm seit 1981 verschafft hatte, gut vorbereitet. Als intelligenter und scharfsinniger Mann erkannte und verstand er auf Anhieb seinen Lehrauftrag. Im Kielwasser seines Vorgängers, der als Visionär gelten kann, nahm er trotz seines Alters und seiner körperlichen Anfälligkeit die großen Linien aus dessen außergewöhnlichem Pontifikat auf. Er glänzte in der eigentlichen Lehrautorität: 3 Enzykliken und zahlreiche Dokumente, die oft mit Synoden in Verbindung stehen (apostolische Schreiben); die Unterweisung bei den wöchentlichen Audienzen und dem Angelus; die sowohl diözesane als auch weltweite Seelsorge mit 23 großen Reisen. Er hat die Kirche geleitet und sich dabei – mit Schwierigkeiten – bemüht, mit der Kurie, insbesondere mit den 90 Kardinälen (in 5 Konsistorien) zurechtzukommen, indem er vielfältige Versammlungen abhielt und spezielle Jahre zum geistlichen Auftanken organisierte. Er setzte die Ökumene und den interreligiösen Dialog fort, ohne die Beziehungen mit den akkreditierten Staaten und seine Vertretung in den internationalen Organisationen wie der UNO zu vergessen. Er war sich also seiner grundlegenden und erdrückenden Verantwortung bewusst, über eine Milliarde Seelen zu führen und zu heiligen. Im Lauf der Jahre und der weltweiten Probleme hat Benedikt XVI. die unterschiedlichen Kernpunkte seiner kirchlichen Lehrautorität betont.

Der Richtungswechsel und die Verinnerlichung seines Amtes

Der neue Papst konnte dieses Erbe mit der ihm eigenen Geistesgröße zusammenbringen, um eine Synthese zu verwirklichen, die mehr auf der Lehre als auf der Seelsorge beruht. Johannes Paul II. hatte ein glühendes Temperament, er war mystisch und extravertiert zugleich, während Benedikt XVI. ein Papst war, der vor allem nach innen gekehrt, ganz auf das Studium, die Bibelauslegung, kurz gesagt auf die Verinnerlichung des Glaubens ausgerichtet war. Dafür war er mehr ein Denker als ein Seelsorger, mehr kontemplativ als aktiv, mehr ein Pilger der Seele als ein Kommunikator, auch auf die Gefahr hin, nicht verstanden zu werden, wie bei seiner Vorlesung in Regensburg oder bei der Aufhebung der Exkommunikation der Anhänger von Bischof Lefebvre. Obwohl er sehr menschlich ist, trug ihm seine große Zurückhaltung den Ruf ein, wenig herzlich zu sein. Seine Priorität lag woanders.
In der Tat führte Benedikt XVI. die Lehrkatechese von Johannes Paul II. nicht nur fort, sondern vertiefte und verfeinerte sie, indem er sich noch systematischer auf die geistlichen Erfordernisse unserer Epoche angesichts der allgemeinen Entfernung von Gott bezog. Der Kern seiner Lehre bestand also darin, die Person Christi selbst zu erklären und nachzuahmen, der der Schlussstein der Heiligen Schrift und die grundlegende Säule des Heils ist. So hat er durch seine lange wöchentliche Katechese über die Apostel und die Kirchenväter (1. Serie) auf die Exegeten Christi aufmerksam gemacht, durch die Heiligen (2. Serie) auf seine Nachahmer hingewiesen und dabei aufgezeigt, wie sowohl das Gebet der Patriarchen als auch das Gebet Christi und der bevorzugten Seelen, zusammen mit der Annahme der Prüfungen in der Liebe (3. Serie) die tiefste Feder des Heils ist.
Ganz tief in seiner Lehre verankert und das Wichtigste für ihn ist in erster Linie die Suche nach der Wahrheit: «Quaerere Deum, quaerere veritatem». Er stützt sich auf den Verstand (hl. Augustinus, heiliger Bonaventura…) und auf den Glauben (hl. Thomas von Aquin), um die diesen beiden Grundelementen innewohnende Vereinigung zu predigen, die die Schlüssel zur Wahrheit sind: Man darf nur das glauben, was wahr ist.
Die Wahrheit gründet auf der Durchdringung dieses Binoms und stellt den unerschütterlichen Sockel der Bildung und der Lehrautorität des Professors und Papstes Ratzinger dar. Nachdem er die Verfassung des Katechismus der Katholischen Kirche überwacht hatte, veröffentlichte er eine Zusammenfassung davon: das Kompendium, damit das Dogma der Wahrheit in der Welt eine weitere Verbreitung findet. Dem muss man seine letzten Bücher hinzufügen, darunter die drei Bände über Jesus von Nazareth und das Buch Licht der Welt. Mit seiner Wallfahrt ins Heilige Land (2009) trat er in die Fußstapfen von Paul VI. und Johannes Paul II. und ließ sich zu den Quellen des Glaubens führen.
Ganz konkret und entschlossen setzte er sich für die Umsetzung des II. Vatikanischen Konzils ein, und es war ihm ein Anliegen, das 50. Jubiläum seines Beginns zu feiern, indem er ein Jahr des Glaubens ausrief. Allen Widerständen zum Trotz bemühte er sich auch, das wahre Konzil umzusetzen, indem er das «virtuelle» Konzil vom «wirklichen» Konzil unterschied: Das Erstere ist wie eine Karikatur, die den Blick auf das II. Vatikanum verstellt, während das Letztere das wahre Konzil ist, das nach und nach mit seiner ganzen, vom Heiligen Geist kommenden Macht und seinem Licht zu Tage tritt, und zwar als die echte Charta der Kirche, die unterwegs ist.
Die zweite große geistliche Sorge dieses Papstes, der sich auf das Gebet und die Verständigung stützte, war die Suche nach der Einheit, indem er die Ökumene bei den getrennten Christen und den interreligiösen Dialog mit den monotheistischen und den anderen Religionen verstärkte. Unter demselben Gesichtspunkt erhielt er die Kollegialität der Bischöfe auf unterschiedlichen Ebenen aufrecht und förderte so gut er konnte nicht nur die Katechese, sondern auch die kirchliche Disziplin und Moral. Zutiefst erschüttert von der sittlichen Ausartung bei zu vielen Klerikern und überzeugt davon, dass die Glaubwürdigkeit der Kirche von ihrer Einheit und ihrer Unbescholtenheit abhängt, musste er mit Macht gegen diese Gefahr vorgehen, über die er bereits in seiner Meditation am Karfreitag im Kolosseum kurz vor dem Tod von Johannes Paul II. mit dem Kreuz in der Hand versucht hatte zu sprechen – und zwar aus gutem Grund.
Seine größte menschliche Sorge galt der Aufwertung der nicht gleichgeschlechtlichen Ehe und der Familie, wie Gott sie gewollt hat, sowie der Verteidigung des Lebens auf allen Ebenen. Da er wie sein Vorgänger das Schlimmste voraussah, wirkte er unablässig in diesem Sinn (zum Beispiel beim Internationalen Treffen der Familien und in seiner ersten Enzyklika Deus caritas est). Er zeigte in bewundernswerter Weise das ideale Vorbild auf, dem wir nachfolgen müssen: die gegenseitige Liebe zwischen dem Bräutigam (Christus) und seiner Braut (die Kirche), die die Quelle ihrer Fruchtbarkeit ist. Damit und mit der Entwicklung dessen, was er die «menschliche Ökologie» nannte (in seiner denkwürdigen Rede in Berlin 2011), beruhigte er die vielen jungen Menschen, die die 20 Weltjugendtage von Johannes Paul II. gebildet hatten und sich angesichts der heute herrschenden, schweren moralischen und gesellschaftlichen Verirrungen Sorgen machen.
Dieser Papst, der aus einem vom zweiten Weltkrieg schwer belasteten und von 1949 bis 1990 gespaltenen Land stammt, wollte wie Benedikt XV., Pius XII., Johannes XXIII. und Johannes Paul II. ein glühender Initiator der Versöhnung und des Friedens sein, und zwar in der Kirche (Aufhebung der Exkommunikation gegen die Traditionalisten) wie in der internationalen Gesellschaft, wie seine so höflichen Beziehungen mit den Staaten und seine zuvorkommende und kluge Diplomatie beweisen. In dieser Hinsicht hat er das kolossale Werk von Johannes Paul II. vollendet, indem er es zu 178 Nuntiaturen in 196 verzeichneten Staaten gebracht hat. Seine Kontakte mit China (Brief an die chine­sische Kirche) und mit Vietnam sowie seine Reise nach Kuba lassen auf eine Zukunft der Öffnung schließen.

2013: Zwischen Angst und Hoffnung

Angesichts der großen Ungewissheiten, die dem Glauben auflauern, hat Benedikt XVI. alle Register gezogen: Er entfaltete die Liturgie neu, um den Sinn für das Heilige zu verstärken, er richtete die Frömmigkeit wieder auf die Eucharistie aus (nachsynodales Schreiben Sacramentum caritatis), er kündete anlässlich der Feiern für den heiligen Pfarrer von Ars das Jahr des Priesters an und kehrte im Mai 2010 nach Fatima zurück, um dem Herzen Mariens, der Mutter der Priester, deren seelsorgerlichen Eifer anzuvertrauen, der von den Mächten des Bösen so hart bedrängt wird.
Er handelte vorausschauend, als er sich die bedeutende Intuition von Johannes Paul II. zu eigen machte und die Neuevangelisierung einleitete (Synode über Das Wort Gottes in Leben und Mission der Kirche, die in dem nachsynodalen Schreiben Verbum Domini zusammengefasst wurde, Schaffung des Päpstlichen Rates für die Neuevangelisierung im Jahr 2010, mit der begleitenden Eröffnung der Synode und der Ankündigung des Jahres des Glaubens 2012), widmete dem heiligen Paulus ein Jahr, sprach Karol Wojtyła heilig, den größten Missionar nach dem heiligen Paulus, und schenkte der Kirche das Jahr Pauline Jaricot, der Gründerin des Werks zur Verbreitung des Glaubens… Er beschleunigte seine Entscheidungen angesichts einer Welt, die von der Gleichgültigkeit, irrigen Ideologien, Verfolgungen, der Ausbreitung einer unguten Toleranz, dem frontalen Angriff des Relativismus, dem Eindringen der Verweltlichung, der Überflutung durch einen übertreibenden Individualismus angegriffen wird…
Der unerwartete Verzicht von Benedikt XVI. überraschte alle, doch bevor diese Seite in der Kirche umgewendet wird, müssen wir erkennen, dass auch sein Pontifikat an die Prophetie von Fatima gebunden war: Auch dieser Papst ist über die Ruinen der heutigen Welt – die sicher mehr sittlicher als materieller Art sind – seinem Schicksal entgegengegangen und erfleht am Fuß des Kreuzes das Heil für die ganze Welt und die Erneuerung der Kirche, kurzum die Zivilisation der Liebe.
Bernard Balayn
 

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