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Zwei ganz gegensätzliche Besuche

Bruder Elia – Bergamo, 2. Februar 2010, 8.30 Uhr

Fiorella Turolli berichtet, wie für Bruder Elia im letzten Jahr die Fastenzeit begann

 

Heute Nacht habe ich die Madonna gesehen
Bruder Elia rief mich an:

«Heute Nacht habe ich die Madonna gesehen… ich konnte nicht schlafen und betete…»
«Machst du dir so viele Gedanken, Bruder Elia?»
«Ja.»
«Wie das?»
«Zuerst habe ich ein Licht gesehen, das im Dunkeln näher kam, ein Licht, das immer intensiver wurde und sich in eine Person verwandelte… Es war sie [Maria]! Ich habe sie erkannt, weil ich sie schon zweimal gesehen hatte, als ich ein Kind war und später im Kloster, als ich Kapuziner war.»
«Hat sie zu dir gesprochen?»
«Nein, aber sie ist lange bei mir geblieben… Sie hat mir fast eine Stunde lang Gesellschaft geleistet.»
«Wie war sie gekleidet?»
Ich sehe sie immer weiß gekleidet, ganz in weiß…»
Und dann fügte er mit zögerlicher und von Furcht erfüllter Stimme hinzu:
«Kommt sie etwa, um mich z.B. auf den Tod von einem meiner Angehörigen vorzubereiten?»
«Was sagst du da, Bruder Elia! Sie ist gekommen, um deine Probleme mit dir zu teilen, in Dankbarkeit für die unermessliche Liebe, die du ihr erweist. Du sagst immer wieder, dass du dich in Maria verliebt hast und das weiß sie…»

Satan existiert

Calvi, 5. März 2010
Schon seit zwei Tagen gingen die Lichter im Kreuzgang von alleine an und aus; die Tiere waren unruhig und Bruder Elia spürte die übliche, unheilvolle Anwesenheit, wie es jedes Jahr während der Fastenzeit der Fall ist. Die Nacht des 5. März enthüllte sich jedoch auch für uns als Vorahnung furchtbarer Ereignisse.
Um 4.00 Uhr ging ich voller Angst in mein Zimmer, ohne den Grund für die Angst zu kennen. Ich hörte das Bellen von Hunden, das Wiehern von Pferden und fremde, unverständliche Geräusche unter meinem Fenster.
Schwester Francesca stand wie jeden Morgen als erste auf und in der Stille der noch dunklen Morgendämmerung begann sie in der Kapelle zu beten.
6.15 Uhr
«Hilfe! Hilfe!… Kommt… Bruder Elia… Schnell!»
Die verzweifelte Stimme von Schwester Francesca erscholl vom Kreuzgang aus bis zu unseren Zimmern.
Ich warf mir meinen Mantel über die Schultern und eilte zur Treppe, während sich andere Türen öffneten; die der Schwestern auf dem linken Flügel und die der Brüder auf dem rechten Flügel des Klosters. Alle liefen in Richtung der Stimme von Schwester Francesca.
«Ich weiß nicht, wo er ist, ich sehe ihn nicht, aber ich habe Klagerufen aus diesem Teil gehört…»
Und während sie mit uns sprach, eilten wir alle zu dem Neubau, auf den die Schwester wies. «Er muss dort sein…» und während wir liefen, bemerkten wir einen Stapel mit Blechen und Eisenplatten. Mit geballter Kraft hoben wir eine nach der anderen weg und als die letzte entfernt war, erschien der gemarterte Körper von Bruder Elia. Er war ohnmächtig, lag in einer lehmigen Grube; sein Gesicht war aufgedunsen, die Lippen geschwollen und blutig, der Kopf war auf die Schulter geneigt, die Haare waren voller Dreck, der mittlerweile getrocknet war. Wir versuchten ihn hoch zu heben. Er war starr, kalt und sehr schwer.
Jemand besprengte ihn mit Weihwasser und dann gelang es uns, ihn zu sechst heraus zu ziehen. Wir brachten ihn zum Kloster. Ich war die Letzte und habe in seinen Haaren blutige Wunden gesehen, die aussahen, als hätten die Klauen eines Tieres zugeschlagen.
Wir gingen in das erste Zimmer auf der rechten Seite und legten Bruder Elia auf das Sofa. Er war noch nicht wieder bei Bewusstsein und zitterte. Man brachte heißes Wasser, ein kleines Kissen, Handtücher. Jeder tat sein Möglichstes. Ich stellte fest, dass er von Kopf bis Fuß mit Lehm bedeckt war. Es war Freitag, und in dem Schmutz konnte man große Wunden erkennen.
Ich kann nicht sagen, wie viel Zeit zwischen dem Augenblick, wo wir ihn gefunden hatten und dem Augenblick, in dem er wieder zu sich kam, verstrichen war, aber es schien mir eine Ewigkeit zu sein. Endlich öffnete Bruder Elia die Augen, bewegte sich langsam und konnte sich aufsetzen. Es ver­gingen noch einige Momente der Stille und dann berichtete er uns: «Gegen Mitternacht habe ich Hunde bellen gehört. Sie schienen mir von Furcht ergriffen zu sein, deshalb bin ich hinunter gegangen, um zu sehen, was passiert war. Ich habe die Hintertür geöffnet, und nicht weit entfernt habe ich auf der Seite des Hühnerstalls einen Mann mit einem schwarzen Hut gesehen, der die Arme verschränkt hatte. Sein Gesicht war im Schatten und ich konnte es nicht sehen. Ich habe ihn gefragt, was er dort mache, und ihm gesagt, dass er wahrscheinlich den falschen Weg genommen hätte. Während die Katze einen Buckel machte, flüsterte er mir zu: «Glaubst du, ich hätte dich vergessen?» Da verstand ich und ich rief mit dem Schnurlostelefon um Hilfe, aber er packte mich an der Gurgel und brachte mich zu Fall. (In aller Eile hatte Bruder Elia meine Nummer in Bergamo gewählt; mein Mann hatte abgenommen und sagte «Hallo, hallo»…, aber niemand antwortete. Das Telefon gab die Zeit an; es war 00.08 Uhr gewesen.)
«Knie jetzt vor mir nieder.» «Niemals!», habe ich erwidert. Daraufhin zeigte er mir viele Facetten seines Gesich­tes: zuerst war es das Gesicht einer Frau, dann das eines Mannes, dann ein Frauengesicht mit einem Männerkörper, dann ein Männerge­sicht mit einem Frauenkörper, dann drei Gesichter, die sich dreh­ten… Er hob die Arme und zündete Feuer an, dann begann er zu schweben und mit seinen gestikulierenden Armen brachte er Ziegelsteine und alles, was sich dort befand, zum Fliegen. Er sagte mir, dass die Madonna mich verlassen habe… und dann, als ich ihn anschrie, dass das nicht wahr sei, verwandelte sich sein Gesicht in das eines Bockes mit Hörnern und ich fühlte, dass ich unter viele schwere Gegenstände glitt und ohnmächtig wurde… Der letzte Satz, den ich ihn sagen hörte, war: «Das nächste Mal klebe ich dich an die Mauer!»

Fiorella Turolli, in: Angeli et Arcangeli Mai-Juni 2010, S. 18-19.

Literatur:

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