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Jesus gebietet dem Sturm auf dem See

Maria Valtorta - «Der Gottmensch»

Ich habe das Evangelium des heutigen Tages gesehen. Gerade heute morgen beim Lesen desselben habe ich mir gesagt: «Das ist nun eine biblische Begebenheit, die ich nie zu sehen bekommen werde, da sie sich für eine Vision wenig eignet.» Doch als ich am wenigsten daran dachte, ist sie über mich gekommen, um mich mit Freude zu erfüllen. Hier folgt, was ich geschaut habe.
Ein Segelboot, nicht besonders groß, aber auch nicht gerade klein, ein Fischerboot, auf dem sich gut fünf bis sechs Personen bewegen können, durchfurcht die tiefblauen Wasser des Sees von Genesareth.
Jesus schläft im Heck. Er ist wie üblich weiß gekleidet und hat das Haupt auf den linken Arm gelegt, der auf seinem blaugrauen, mehrfach zusammengefalteten Mantel ruht. Er liegt nicht, vielmehr sitzt er im hinteren Teil des Schiffes und lehnt sich an das Brett am äußersten Bootsende. Ich weiß nicht, wie die Schiffsleute es nennen. Er schläft still und friedlich, denn er ist müde.
Petrus ist am Steuer. Andreas kümmert sich um die Segel. Johannes und zwei andere – ich weiß nicht, wer sie sind – bringen die Netze und Taue im hinteren Teil des Schiffes in Ordnung, als wollten sie sich auf den Fischfang vorbereiten, der vielleicht bei Einbruch der Nacht beginnt. Ich würde sagen, dass der Tag sich neigt, denn die Sonne steht schon im
Westen. Die Jünger haben ihre Mäntel abgelegt und alle ihre Kleider geschürzt und mit den Gürteln festgebunden, damit sie freier in ihren Bewegungen sind beim Hin- und Hergehen im Boot und beim Hantieren nicht durch Ruder, Bänke, Körbe und Netze behindert werden.
Ich sehe, dass der Himmel sich verdunkelt und die Sonne sich hinter plötzlich aufgezogenen Gewitterwolken verbirgt, die vom Gebirge her kommen. Der Wind, der im Augenblick noch nur in der Höhe weht, treibt die Wolken rasch dem See zu. Der See ist noch ruhig, wird jedoch dunkler und beginnt, sich an der Oberfläche zu kräuseln. Es sind noch keine Wellen, aber schon kleine Wellenbewegungen.
Petrus und Andreas beobachten Himme­l und See und treffen alle Vorkehrungen, um an Land zu gehen. Doch der Wind bricht nun mit Macht über den See, und in wenigen Minuten wallt und schäumt alles; die Brecher über­schlagen sich gegenseitig, krachen gegen das Boot, hebe­n es hoch und senken es, so dass es sich nach allen Seiten neigt und wede­r Ruder noch Segel mehr gebraucht werden können. Wegen des Sturmes wird das Segel eingezogen.
Jesus schläft. Weder die schweren Schritte noch die aufgeregten Stimmen der Jünger, noch das Heulen des Windes, noch die Schläge der Wellen gegen die Bootsplanken wecken ihn. Seine Haare flattern im Winde, und manchmal trifft ihn auch ein Wasserspritzer, doch er schläft. Johannes eilt vom Bug zum Heck und deckt ihn mit seinem Mantel zu, den er aus einem Holz­verschlag hervorgezogen hat.
Der Sturm wird immer heftiger. Der See ist nun schwarz, als sei Tinte hineingeschüttet worden, und der Schaum der Wellen zieht Streifen darüber. Wasser ergießt sich ins Boot, das der Wind immer weiter vom Ufer abtreibt. Die Jünger schwitzen vor Anstrengung, das Boot in die richtige Fahrtrichtung zu lenken und das eingedrungene Wasser auszuschöpfen. Doch alles ist vergebens. Sie waten fast bis zu den Knien im Wasser, und das Boot wird immer schwerer.
Petrus verliert die Ruhe und die Geduld. Er übergibt seinem Bruder das Ruder, geht schwankend zu Jesus hin und schüttelt ihn heftig. Jesus erwacht und hebt das Haupt.
«Rette uns, Meister, wir gehen zugrunde!» schreit Petrus. (Er muss schreien, damit man ihn hört.)
Jesus schaut seinen Jünger fest an, dann blickt er auf die anderen und auf das Wasser. «Glaubst du, dass ich euch retten kann?»
«Schnell, Meister», schreit Petrus, während sich eine riesengroße Woge von der Mitte des Sees her rasch auf die armselige Barke zu bewegt. Es scheint eine Wasserhose zu sein, so hoch und schreckenerregend ist sie.
Als die Jünger diesen Wasserberg herankommen sehen, knien sie nieder und klammern sich fest, wo und wie sie nur können; sie sind überzeugt, dass dies das Ende ist.
Jesus erhebt sich und steigt auf den Holzverschlag: eine weiße Gestalt vor dem Hintergrund des Unwetters. Er breitet die Arme gegen die Sturzwelle aus und gebietet dem Wind: «Halt ein und schweige», und dem Wasser: «Beruhige dich. Ich will es!»
Die Sturzwelle fällt in sich zusammen, löst sich in Schaum auf und zerfließt, ohne zu schaden, während der Wind mit einem letzten Pfeifen in einem Seufzer verstummt. Über dem beruhigten See wird der Himmel wieder heiter, und in die Herzen der Jünger kehrt die Zuversicht zurück.
Die Majestät, die Jesus ausstrahlt, kann ich nicht beschreiben. Man muss sie gesehen haben, um sie begreifen zu können. Ich koste sie innerlich aus, denn sie ist mir immer noch gegenwärtig, und ich denke darüber nach, wie friedvoll doch der Schlaf Jesu und wie gewaltig seine Macht über Wind und Wellen war.

«Der Gottmensch», Band III,
Kapitel 224

Heimsuchungen dienen dazu, dass ihr euch eures eigenen Nichts bewusst werdet

Jesus sagt dann:
«Ich erkläre dir das Evangelium nicht in dem Sinne, wie alle es auslegen. Ich erläutere dir die Vorgeschichte eines jeweiligen Abschnittes im Evangelium.
Warum schlief ich? Wusste ich vielleicht nicht, dass das Unwetter hereinbrechen würde? Doch, ich wusste es. Ich allein wusste es. Warum also schlief ich?
Die Apostel waren Menschen, Maria. Von gutem Willen beseelt, aber doch noch zu sehr Menschen. Der Mensch glaubt immer, alles zu können, und ist er einmal in etwas wirklich tüchtig, dann wird er selbstgefällig und brüstet sich mit seiner “Tüchtigkeit.” Petrus, Andreas, Jakobus und Johannes waren gute Fischer und glaubten sich unübertroffen im Umgang mit Booten. Ich war für sie ein großer Rabbi, aber als Seemann eine Null. Deshalb hielten sie mich für unfähig, ihnen zu helfen; und als wir ins Boot stiegen, um das Galiläische Meer zu überqueren, baten sie mich, sitzen zu bleiben, weil ich zu nichts anderem zu gebrauchen war. Ein weiterer Grund war aber auch ihre Zuneigung, denn sie wollten mir keine körperlichen Anstrengungen zumuten. Doch die Überzeugung von ihrer Tüchtigkeit übertraf sogar die Zuneigung.
Maria, ich dränge mich nur in außergewöhnlichen Fällen auf. Im allgemeinen lasse ich euch die Freiheit und warte. An jenem Tage setzte ich mich zum Schlafen hin, da ich müde war und sie mich aufgefordert hatten, mich auszuruhen und sie allein machen zu lassen, da sie ja so erfahren waren. In meinem Schlaf mischte sich auch die Feststellung, wie sehr der Mensch doch Mensch ist und eigenständig handeln will, ohne darauf zu achten, dass Gott nichts anderes möchte als helfen. Ich sah in diesen “geistig Tauben”, in diesen “geistig Blinden”, alle Tauben und Blinden im Geiste, die sich im Laufe der Jahrhunderte zugrunde richten werden, weil sie “selber tun wollen”, während ich mich über ihre Erbärmlichkeit neige und nur darauf warte, zu Hilfe gerufen zu werden.
Als Petrus rief: “Rette uns!”, fiel meine Bitterkeit von mir wie ein Stein, den man fallen lässt. Ich bin nicht “Mensch”, ich bin der Gottmensch. Ich handle nicht, wie ihr handelt. Wenn jemand euren Rat und eure Hilfe ausgeschlagen hat und ihr diesen Menschen in Schwierigkeiten seht, selbst wenn ihr nicht so schlecht seid, Schadenfreude zu empfinden, so steht ihr doch mit stolzer Ablehnung und Gleichgültigkeit seinem Hilferuf gegenüber. Mit eurem Verhalten gebt ihr ihm zu verstehen: “Als ich dir helfen wollte, hast du mich abgelehnt. Nun hilf dir selbst.” Aber ich bin Jesus. Ich bin der Retter, und ich rette, Maria, immer rette ich, sobald man mich ruft. Die armen Menschen könnten einwenden: “Warum erlaubst du dann so vielen einzelnen und vereinten Stürmen, sich zu bilden?” Wenn ich mit meiner Macht das Böse – was es auch sein mag – zerstören würde, dann würdet ihr euch schließlich für die Urheber des Guten halten, das in Wirklichkeit mein Geschenk ist, und ihr würdet euch nicht mehr meiner erinnern. Überhaupt nicht mehr! Ihr armen Kinder habt das Leid nötig, um euch zu erinnern, dass ihr einen Vater habt, so wie der verlorene Sohn sich seines Vaters erinnerte, als er Hunger litt.
Heimsuchungen dienen dazu, euch von eurer Nichtigkeit, eurer Torheit als Ursache so vieler Irrtümer zu überzeugen, von eurer Bosheit als Ursache von so viel Leid und Schmerz, von euren Sünden als Ursache von Strafen, die ihr selber heraufbeschwört, und schließlich von meiner Existenz, meiner Macht und meiner Güte. Das ist es, was das heutige Evangelium euch sagen will, “euer” Evangelium für die gegenwärtige Stunde, ihr armen Kinder.
Ruft mich an. Jesus schläft nur, wenn er betrübt sehen muss, dass er von euch nicht geliebt wird. Ruft mich, und ich werde kommen.»

«Der Gottmensch», Band III,
Kapitel 225

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