Zeugnis eines Priesters über seine Wallfahrten nach San Damiano
San Damiano
Anfang August 1967 las ich zufällig in der Zeitschrift La Croix einen kurzen Artikel, der die Erscheinungen der Muttergottes in San Damiano in Norditalien (bei Piacenza) erwähnte. Ich beschloss (sehr unbewusst), mit dem Auto dorthin zu fahren und nahm eine Person mit, die eine tiefe Marienfrömmigkeit hatte. Ich hatte beschlossen, mit niemandem darüber zu reden, weder mit den Pfarrangehörigen, noch mit meiner Familie, denn ich wollte nicht, dass es hieß, ich würde hinter Erscheinungen herlaufen.
Am Mittwoch, den 22. August, dem Fest des Unbefleckten Herzens Mariens, fand um 9.00 Uhr eine Gebetsversammlung im Rosengarten statt. Wir waren vielleicht einhundert oder zweihundert Personen (die Erscheinungen waren noch nicht sehr bekannt). Ich wollte unerkannt bleiben, denn ich fürchtete Betrügereien, dämonische Täuschungen und auch, dass man über mich reden würde. Zu meinem großen Erstaunen sah ich ungefähr fünfzehn Meter vor mir einen Priester in Soutane, der einem Priester aus meiner Diözese sehr ähnlich war. Innerlich war ich beunruhigt, denn es lag mir daran, mein Inkognito zu wahren (die damalige Zeit war diesen Marienerscheinungen gegenüber besonders feindlich eingestellt und wer sich dafür interessierte, wurde lächerlich gemacht…)
Wir verharrten bis ungefähr 13.00 Uhr im Gebet; anschließend wurde die Botschaft verlesen, die an jenem Tag von der Muttergottes an die Seherin Mamma Rosa übermittelt worden war. Wir erfuhren, dass die Muttergottes an jedem Freitag, aber auch an den Marienfeiertagen erscheinen werde.
Beim Weggehen war es für mich klar ersichtlich: Es war tatsächlich ein Priester aus meiner Diözese, der hier anwesend war. So weit weg von unserer Diözese war also ein Priester da, den ich kannte! Ich schätzte ihn sehr und seine Anwesenheit war mir nicht peinlich. Nach einer beruflichen Ausbildung war er spätberufener Priester geworden… Meine Überraschung war nur kurz, denn ich fragte ihn sofort, ob er etwas gesehen habe? «Und du, hast du etwas gesehen?», erwiderte er.
Ich berichtete ihm von dem Sonnenereignis. Am späten Morgen hatten sich nämlich meine Augen auf die Sonne gerichtet, die ich ohne Schwierigkeiten anschauen konnte. Sie sah aus wie eine silberne Scheibe, an der ein großer weißer, sehr leuchtender Kreis aufgehängt war – wie ein Ring, der durch ihre Mitte ging. Ich betrachtete es, ohne verwundert zu sein (was mich nachher sehr überraschte). Wir standen sehr dicht aneinandergedrängt und eine Person, die bei mir stand, gab mir einen Rippenstoß und sagte: «Schauen Sie, die Sonne!». Ich sah es schon seit einem längeren Augenblick, aber ich war froh über diesen Rippenstoß meiner Nachbarin, denn das bewies mir, dass ich nicht das Opfer einer Halluzination war.
Jedenfalls ist es mir in Frankreich nie wieder gelungen, in die Sonne zu schauen – egal zu welcher Stunde des Tages. Noch viel weniger wäre das mittags in Italien, im Monat August, möglich gewesen – das konnte keinen natürlichen Ursprung haben! Mein Freund gestand mir, dass er etwas gesehen hatte, aber er behielt es für sich. Ich war jedoch über seinen abwesenden Blick und seine Blässe verwundert.
Es war die Zeit gekommen, um ans Mittagessen zu denken. Zu unserer großen Überraschung und Freude erfuhren wir, dass die anwesenden Priester eingeladen seien, bei der Seherin zu essen. Bei Tisch waren Mamma Rosa, ihr Ehemann Josef, ihre ehrenamtliche Sekretärin. Ich erinnere mich nicht mehr, ob ihre Tante auch dabei war. Mehrere italienische Priester waren anwesend. Ich konnte weder am Gespräch teilnehmen, noch es verstehen (außer mit meinem Nachbarn, der ein wenig französisch sprach). Ich war erstaunt, mit welchem Interesse mein Freund daran teilzunehmen schien. Später sagte er mir, dass er damals italienisch verstanden habe, obwohl er es niemals gelernt hatte, aber dass es damit vorbei war, als er wieder in Frankreich war!
Ich erinnere mich nur noch an die Messe am Donnerstagmorgen in der Kirche. Da die Gläubigen nicht die Erlaubnis hatten, nach San Damiano zu pilgern, war es für mich keine Frage, zu konzelebrieren und der Pfarrer zelebrierte so, als sei niemand in der Kirche. Er zelebrierte mit dem Rücken zur Gemeinde und berücksichtigte in keiner Weise die vielen Menschen, die seine Kirche füllten: Die Lesungen waren im Flüsterton und auf Latein, kein einziges Lied wurde gesungen und natürlich gab es auch keine Predigt. Sehr viele kamen zur Kommunion. Er war bereit, ihnen die hl. Hostie zu geben. In diesem Augenblick ertönte in der beeindruckenden Stille der Kirche irgendwo aus der Menge die wundervolle Stimme einer Frau und man konnte spüren, wie alle innerlich angesichts der Schönheit dieser Melodie vibrierten.
Die Rückfahrt: Ein inniger Dank an den hl. Erzengel Michael
Wir mussten aber leider an die Rückfahrt denken! Innerhalb von 2 Tagen mussten wir mit meinem kleinen Renault 4 ungefähr 1200 bis 1300 km zurücklegen. Trotzdem gab ich dem Wunsch nicht nach, bis zur nächsten Erscheinung, die üblicherweise am Freitag sein würde, zu bleiben. Nach einer einfachen Mahlzeit brachen wir gegen 14.00 Uhr auf. Ein Wahnsinn! Niemand wusste von unserem «Ausflug» und ich musste am Sonntagmorgen wieder daheim sein, um 3 Messen zu feiern!
Die Distanz zwischen Piacenza und Turin betrug, wie mir scheint, 180 km (ich glaube, San Damiano liegt ungefähr 20 km von Piacenza entfernt). Unglücklicherweise waren wir an einem Wochenende im August unterwegs: Es gab besonders dichten Verkehr, die Straße war einspurig, daher konnte man nicht überholen. Die Durchschnittsgeschwindigkeit: 60 km/h! Es war trostlos. Ständig musste ich wegen langsameren Fahrzeugen und Staus bremsen. Ich war überzeugt, dass ich nicht rechtzeitig zu Hause sein würde.
Zudem bemerkte ich ein großes Fahrzeug hinter mir, das von einem jungen, angeregten Mann gelenkt und mit jungen Leuten besetzt war. Dem Fahrer machte es Freude, ganz dicht an mich heranzufahren und erst im letzten Augenblick zu bremsen. Ich hatte schon zu meiner Mitfahrerin gesagt: «Hoffentlich verursacht das keinen Unfall!» Und siehe da: Plötzlich gab es einen heftigen Stoß am Heck, so dass wir stehen blieben. Mein Kopf platzte fast vor Zorn und Angst. Was würde nun werden? Mit einem zertrümmerten Auto, in einem fremden Land, noch dazu, wo wir heimlich wie Diebe von zuhause aufgebrochen waren. Ich stieg aus dem Auto aus, um die Schäden zu begutachten und den Fahrer zu sehen… Ich bemerkte, dass seine Stoßstange und sein Kühler demoliert waren und seine Scheinwerfer in Scherben auf der Straße lagen. Ich ging auf den Lenker zu, der kein Wort Französisch verstand und sich über mich lustig machte.
Ganz entmutigt wendete ich mich meinem Auto zu, denn ich hatte noch nicht den Mut gehabt, es anzuschauen und – Fassungslosigkeit! Mein kleiner Renault hatte keinen einzigen Kratzer! Die große Stoßstange war unversehrt, die Rücklichter unbeschädigt, das Blech hatte keine Beule. Ein Wunder: Das andere, viel größere Fahrzeug musste an Ort und Stelle bleiben und meines war unbeschädigt!
Natürlich setzte ich mich schnellstmöglich ans Steuer und wir machten uns wieder auf den Weg; dabei sangen wir unablässig das Magnifikat! Dann erinnerten wir uns, dass die Muttergottes in einer Botschaft dazu aufgefordert hatte, dass man zahlreich nach San Damiano kommen soll und dass sie den hl. Erzengel Michael schicken werde, um uns zu beschützen. Deo Gratias!
Der Rückweg verlief ohne weitere Probleme. Wir fuhren bis spät in die Nacht, so dass wir am Samstagabend zur rechten Zeit ankommen würden, um die Sonntagsmessen noch vorzubereiten.
Im folgenden Jahr – es war im März 1968 – bin ich mit einem befreundeten Ehepaar wieder nach San Damiano gefahren, diesmal mit dem Zug. Es war ein organisiertes Wochenende. Wir blieben also nur einen kurzen Tag vor Ort. Es gab keine besonderen Vorfälle außer der Anwesenheit eines vom Bischof delegierten Priesters, der ein Birett auf dem Kopf hatte, und sich vor die Pilger stellte, um sie zu überzeugen, weiterzugehen, denn der Bischof verurteilte diese Frömmigkeitskundgebungen und hielt sie nicht für echt.
Ein Jahr verging und mein Dienst blieb von dieser Erfahrung nicht unbeeinflusst. Manchmal machte ich in Predigten sehr diskrete Anspielungen. Anlässlich eines großen Marienfestes in meiner Pfarre, bei dem unser Bischof den Vorsitz hatte, erzählte ich ihm von meinem Abenteuer und er hörte mir mit Sympathie bis zum Schluss zu, wobei er mir nur Klugheit, Vorsicht und Diskretion empfahl.
Im darauffolgenden Jahr, es war im Juni 69, wurde ich durch den Generalvikar ins Bischöfliche Ordinariat einbestellt. Ich hatte mich auf eine starke Warnung bezüglich des Interesses, das ich den Erscheinungen entgegenbrachte, eingestellt und mich mit Dokumentationen zu diesem Thema bewaffnet, um auf Einwände antworten zu können (denn in der Zwischenzeit hatte ich mir Bücher besorgen können, die über die Geschehnisse berichten und auch viele Zeugnisse enthalten).
Ich kam also bei ihm an: «Nehmen Sie Platz», sagte er zu mir. «Ich habe Ihnen mitzuteilen, dass Sie zum Pfarrer und Dekan von… ernannt wurden.» Ich war verblüfft, weil ich diese Beförderung, die mich ein wenig erschreckte, nicht erwartet hatte. Er fügte hinzu: «Aber seien Sie vorsichtig, denn diese Ernennung gefällt nicht allen. Die Pfarrer aus der Region sehen Ihrer Ankunft nicht mit Wohlwollen entgegen. Ihr Freund ist Pfarrer in dieser Region.»
Von diesem Tag an musste ich mein Interesse für San Damiano «einlagern», zumal die Krise in der Kirche stärker wurde. Das wurde mir einige Jahre später voll bewusst, als ich in eine große Pfarre kam, wo ich feststellen musste, wie sehr die Menschen abgebaut hatten, aber auch, dass viele Punkte der Lehre abgelehnt, die Marienfrömmigkeit und ganz allgemein das Übernatürliche verachtet wurde. Alles, was auch nur ein wenig mystisch war, wurde verachtet und abgelehnt…
Glücklicherweise haben zwei Ereignisse meinen Glauben neu gestärkt. Das erste Ereignis war die Entdeckung der Charismatischen Erneuerungsbewegung und das zweite ein Geschehen, das mit San Damiano verbunden ist.
Fortsetzung folgt