Die Wichtigkeit der Eucharistie
Marthe Robin
Wo schenkt sich Christus den Menschen in Fülle, wo kann man ihm sicherlich stets begegnen? In der Eucharistie. Jesus, der real zugegen ist, nimmt das Herz derjenigen Menschen in Besitz, die ihn lieben und innig mit ihm verbunden sind. Marthe lebt von da an intensiv von der heiligen Hostie, die Pfarrer Faure ihr allwöchentlich bringt:
«Ich verspüre gut, was Jesus mir schenkt, indem er sich mir schenkt. Ich bin erregt und ganz von Ehrfurcht und Liebe ergriffen, wenn ich mich frage, was ich, ich arme kleine Notleidende, diesem Gott, der mich mit Gnaden, Güte und Erbarmen überhäuft, mitbringen und geben könne, diesem Gott voll Liebe, der sich mir schenkt und dabei in mein Herz das Siegel der Auserwählten einprägt.»
Im Moment der Kommunion kommt es fortan häufig zu mystischen Phänomenen: «Die Kommuniontage sind Tage unsäglicher Freude, blendender Lichter, Verzückungen, Vereinigung der Seele, die sich zum Himmel aufschwingt. Oh, wie schön ist das!», vertraut sie Pfarrer Faure an. Der wichtigste Ausdruck ist hier «Vereinigung». Ein anderes Mal, am 9. Juni 1930, schreibt sie: «Bei der Realgegenwart Jesu in der Hostie in meinem Herzen war meine Seele vom Übermaß des Glücks und der Freude überwältigt. Meine Seele schmolz so gänzlich und unsagbar in Gott ein, dass ich sofort in einem Ozean von Wonnen aufging und so in sehr erhabene Freude und Entzückung geriet.» An anderer Stelle schreibt sie noch: «Der göttliche Meister nimmt alles in Besitz und in Anspruch, es gibt nichts mehr, was nicht mehr einzig ihm gehörte. Nur der Allmächtige kann meiner Seele dieses Glück geben, er allein kann sie voll und ganz schauen.»
Im Lauf dieser «Begegnungen» wirkt Gott allmählich auf alle Zonen des Wesens von Marthe ein: auf ihren Leib, ihr Gemüt, ihre Intelligenz, ihr tiefes «Ich». Die «Geographie» der Gnade nimmt nach und nach in ihr Platz. Sie entdeckt die drei göttlichen Personen in ihrer Einheit und doch Unterschiedlichkeit, wie das im Lauf der Geschichte der Kirche viele Heilige erlebt haben:
«Dieser liebende Gott würdigte mich, mir das Mysterium der Dreifaltigkeit zu offenbaren, und jede der drei göttlichen Personen sprach zu meiner Seele einzeln. Die erste Person sagte zu mir: “Du bist mein gebenedeites Kind.” Die zweite Person, mein geliebter Heiland, sagte zu mir: „Du bist mein für die Zeit und die Ewigkeit.“ Die dritte sagte zu mir: “Ich bin die Liebe, die dich brennt und dich mitten in deinen Prüfungen übervoll [von Freude] macht.”»
So ist die Eucharistie ein «Ort» nicht nur der Vereinigung, sondern auch der Belehrung. Marthe beginnt, sich innerhalb dieser Welt Gottes zu orientieren und die verschiedenen Phänomene ausfindig zu machen, zu denen es daselbst kommen kann. Sie hütet sich davor, sie zu verwechseln. So unterscheidet sie genau zwischen einem Erfasst werden der Seele durch Gott, die wie eine Ekstase, wie ein Herausgehen aus sich selbst sein kann, und einer Vision, die ein Phänomen von ganz anderer Art ist: «In dieser Kommunion war die Spaltung sehr intensiv, aber sehr kurz, glaube ich; meine Seele wurde plötzlich mitgerissen mit einer Liebe, die nur Gott angehört und nur in ihm begriffen werden kann…, aber ich hatte keine Vision.»
Die Gegenwart Gottes als Vater
Die «Begegnung» mit Gott beginnt für gewöhnlich durch den Kontakt mit Christus; normalerweise kommt es aber früher oder später auch zu einer «Begegnung» mit Gott Vater. Wie wir sahen, hatten die drei Personen der Dreifaltigkeit begonnen, sich Marthe zu bekunden. Nach dem Sohn wird sich somit auch der Vater nach und nach ihr schenken. Er geht dabei den Umweg über ihren geistlichen Vater, der ihr etwas von der Güte Gottes des Vaters enthüllen wird.
Rasch werden die Beziehungen von Marthe zu Pfarrer Faure nicht nur vertrauensvoll, sondern auch liebevoll. Sie erblickt in ihm «eine Stütze…, einen Tröster… einen Freund… einen Führer». Marthe, die ein liebendes, zart empfindendes Herz besitzt und Mühe hat, sich zu äußern, sieht, wie sich dieses ihr Herz sehr stark erweitert. Doch all das wird immerfort auf Gott bezogen. Sie schreibt am 21. April 1930: «Ich flehte mit glühender Liebe um die Bekehrung meiner Pfarrei und auch um Heiligkeit für meinen lieben geistlichen Vater, dass Gott ihn zu einem vorbildlichen Priester und zu einem Heiligen machen möge… Der göttliche König meiner Seele sagte mir, er habe ihm einen großen Erweis seiner Liebe geschenkt, indem er mich ihm gab und mich zu seinem Kind in Ewigkeit machte… [Jesus zu ihr:] “Führe die Sendung mit ihm weiter; ich überlasse dich ihm; mein Herz freut sich jedes Mal, wenn er zu dir kommt. In dem Maß, in dem eure Vereinigung wächst, werden eure beiden Seelen einander verstehen. Wie ich mit meinem Vater eins bin, will ich, dass eure beiden Herzen und eure beiden Seelen sich miteinander verknüpfen und in mir allein gründen.”»
Diese geistliche Freundschaft entwickelt sich nicht ohne Prüfungen. Pfarrer Faure fühlt sich manchmal durch die Geisteszustände der von ihm Geleiteten überfordert. Es ist anerkennenswert, dass er sich helfen lässt, wir werden noch sehen, wie. Marthe aber merkt die Mängel an Verständnis und leidet darunter. Sie hat es absolut nötig, dass sie unterstützt wird. Zumeist genügen die mystischen Gnaden sich selber nicht. Sie müssen von jemand Kompetentem wahrgenommen, gutgeheißen, ja geläutert werden. Mystische Gnaden im Reinzustand sind selten. Sie gehen – bei Marthe Robin wie bei den anderen Mystikern – durch den Filter eines bestimmten Empfindens, einer Kultur, eines Vokabulars und von Wünschen. Man muss diesen Dingen Rechnung tragen. Wenn das nicht gemacht wird, kann man sich vor einem solchen Mangel an Anhaltspunkten befinden, dass man verloren und verängstigt ist. Dazu kommt es zuweilen in der Beziehung von Marthe mit dem Pfarrer Faure. Im März 1930 schreibt sie:
«Niemand, der nicht durch diese Prüfung gegangen ist, kann die Angst eines Herzens verstehen, das in die geistigen Dunkelheiten und Zweifel getaucht ist, ohne sich heraushelfen zu können, oder das, falls das gelingt, von seinem Seelenführer nicht verstanden wird, sei es aus Mangel an Erfahrung, sei es, weil Gott ihm nicht die nötigen Einsichten gewährt, um den traurigen Zustand der betreffenden Seele zu erkennen, oder weil er diese in völliger Hingabe lassen will.»
Doch selbst inmitten der Prüfungen, selbst irgendwie auf dem Tiefpunkt, bleibt die Beziehung des Pfarrers Faure zu Marthe für sie sehr reich an Einsichten. Zum ersten Mal erfährt sie, dass die geistliche Vaterschaft ein Spiegelbild der Vaterschaft Gottes ist. Die geistliche Vaterschaft gibt es nur deshalb, weil sie die Güte des himmlischen Vaters widerspiegelt, seine Geduld, sein Vertrauen zu den Menschen, die man persönlich kennt und liebt. Sie ist ganz auf das Leben ausgerichtet. Der geistliche Vater hilft, die Lebensquellen zum Hervorsprudeln zu bringen, die Hindernisse wegzuräumen; er ist ganz auf die Zukunft bedacht. Darum verhilft er der begleiteten Person zu immer größerer Freiheit. Seine Person sagt so etwas von Gott Vater aus. Das zu bemerken, ist wichtig, denn Marthe Robin hat begonnen, zusammen mit Pfarrer Faure einen Zustand zu erleben, von dem sie in der Folge gleichsam durchdrungen sein wird. Wie wir später anmerken werden, wird Marthe Robin eine der großen Bahnbrecherinnen der «Rückkehr zum Vater» sein, die gewisse Aspekte des französischen Katholizismus gegen Ende des zwanzigsten Jahrhunderts stark kennzeichnen wird.
Die Gegenwart der Jungfrau Maria
Zudem spielt die Jungfrau Maria im Leben von Marthe eine wesentliche Rolle. Nach und nach tritt die Sendung von Marthe deutlicher hervor. Ihre «besondere Berufung», ihre «schöne Sendung der Liebe», wie sie sie nennt, erhält nach und nach eine marianische Dimension: Marthe will sich insbesondere einsetzen «für das göttliche Königtum des eucharistischen Herzens Jesu und Marias, der Unbefleckten». Das heißt dafür, dass Jesus in seinem tiefsten Wesen, in seiner insbesondere in der Eucharistie bekundeten Liebe zur Kenntnis gebracht wird, und dass die Jungfrau Maria bekannt gemacht wird.
Warum soll die Jungfrau Maria zur Kenntnis gebracht werden? Weil Marthe Robin selber sie kennt; sie weiß, wer sie ist. Und sie weiß es, weil sie ihr begegnet ist. Marthe hat nämlich in einer intensiven und liebevollen, sehr nahen persönlichen Beziehung mit Maria zu leben begonnen. Diese zeigt sich ihr oft. Pfarrer Faure schildert eine Erscheinung Marias so: «Am 15. August (1929) um 17 Uhr erscheint die Jungfrau Maria Marthe Robin. In weißer Farbe, aber unvergleichlich weiß, in einem weißen Gewand mit einer weißen Schärpe auf den Schultern, die senkrecht niederfiel und dann auf der Höhe des Gürtels in zwei Lilienblüten und zwei Bändern mit goldenen Fransen am Ende auslief.»
Die Rolle der Jungfrau Maria ist die einer Mutter, die sich um ihr Kind in seinen Bedürfnissen annimmt, ihm ihre Liebe bekundet und es tröstet. Sie hat auch die Rolle einer Erzieherin, einer Ausbildenden. Marthe hat alles zu lernen, zuerst die für ihre Sendung unerlässlichen Geistes- und Herzenshaltungen. Die einzige Lösung für sie besteht darin, sich in Bezug auf ihre Heranbildung gänzlich auf Maria zu verlassen. Sie entdeckt, dass der einfachste Weg der ist, sich voll und ganz den Händen der Jungfrau zu übergeben. Wenn man sich in allem ihr überlässt, braucht man in seinem Leben keine Angst zu haben:
«Ich begebe mich in der Obhut Jesu ganz in die Schule der heiligen Jungfrau, um weiter voranzukommen, um die großen Mysterien des Glaubens, der Hoffnung und der Liebe besser zu verstehen.»
«O meine so gütige, meine so zärtliche Mutter!… Nimm meinen Willen; ich übergebe ihn Dir, vereine ihn mit Deinem, der auch der Wille Jesu ist, damit ich mich wie Du mit meiner ganzen Seele für jeden der Pläne Gottes bereithalte.»
Durch diese Beziehung erlebt Marthe Robin ein großes Glück und eine große Freude. Die Liebe der Jungfrau Maria, die ihr sogar mütterliche Liebkosungen erweist, wird ihr in Fülle zuteil. Kraft dieser Güte wird sie sogar in allen Prüfungen, die ihr Gesundheitszustand mit sich bringt, durchhalten können.