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Ein leuchtender Stern an Nordamerikas Himmel

Anfang Juli 2019 brachte das päpstliche Wochenblatt L’Osservatore Romano die Kurzmeldung: Die zuständige vatikanische Instanz hat die Belebung eines totgeborenen Kindes auf die Fürbitte von Erzbischof Fulton J. Sheen (gestorben am 9. Dezember 1979) als Wunder anerkannt.
Mit einer baldigen Seligsprechung dieses verdienstvollen Buchautors, Radio- und Fernsehstars ist demnach zu rechnen.
Als ältester Sohn irischer Einwanderer in die USA kam dieses außergewöhnliche Kind am 8. Mai 1895 in dem Städtchen El Paso / Illinois zur Welt. Wie die meisten Iren im katholischen Glauben fest verwurzelt, verehrte man besonders die Muttergottes. Im Anschluss an die Taufe trugen die Paten das Baby zum seitlichen Marienaltar, um es der Himmelsmutter zu weihen.
Das Kind besuchte die Gemeindeschule im Ort, im Elternhaus aber packte es, im Haushalt und in der Landwirtschaft, mit an. So lernte es frühzeitig das wahre Leben auch von seinen Schattenseiten kennen. Es übte sich im Umgang mit Menschen aller Art, was ihm später sehr zugute kam.
Die folgenden Jahre verbrachte er im nahen Peoria, wo er das vom Orden der Marianisten geleitete Spalding-Institut bis 1913 besuchte.
Seit frühester Kindheit wollte er Priester werden, am 20. September 1919 ging sein Herzenswunsch in Erfüllung, in der Kathedrale von Peoria empfängt er die Weihe.
An diesem einmaligen, denkwürdigen, unvergesslichen Tage legt er ein doppeltes zusätzliches Versprechen ab: 1. Täglich will ich in Zukunft eine ganze Stunde in Anbetung und Andacht vor dem Tabernakel verbringen, 2. Jeden Samstag werde ich die hl. Messe zu Ehren der Allerseligsten Jungfrau für alle mir Anvertrauten darbringen.
Noch ist Fulton J. Sheen mit seinen Studien nicht am Ende. In Washington und dann in Europa will er tiefer in die Geheimnisse der Gotteswissenschaft eindringen. In Paris hat er folgendes Erlebnis: Kaum der französischen Sprache mächtig, sucht sich der Neuankömmling eine Wohnung, ein Privatquartier. Direkt über ihm haust eine arme Frau, der er häufig auf der Treppe oder im Flur begegnet. Sie macht einen recht elenden und verzweifelten Eindruck. Er spricht sie an und erfährt bald ihre ganze Geschichte.
Ihr Gatte hatte sie verlassen; nun dachte die einsame Frau an Selbstmord. Fulton J. Sheen besuchte sie nun öfters. Er spricht lange mit ihr, in der einen Hand mit einem französischen Lexikon bewaffnet, in der andern den Rosenkranz haltend. Allmählich taut die Frau auf. Zuletzt begehrt sie die Taufe und meistert dann ihr weiteres schwieriges Dasein.
Als zweifacher «Doktor» in die Heimat zurückgekehrt, ist er bald in den USA bekannt und berühmt; von vielen Seiten wird er aufgesucht, um seinen Rat einzuholen. Seine Ansprachen und Predigten sind schlicht und verständlich, auch für das ungebildete Volk. Obwohl Professor an der Katholischen Universität von Washington, findet Sheen noch Zeit Bücher zu schreiben. Etwa 60 werden es (die in Amerika veröffentlichten tragen alle eine kurze Widmung an die Jungfrau Maria). Eines seiner erfolgreichsten Werke (1951 verfasst) trägt den Titel: The World’s First Love (in der deutschen Übersetztung: «Du bist gebenedeit unter den Weibern»). Noch fünf weitere Marienbücher kommen hinzu: The Queen of Seven Sword (1934), The Fifteen Mysteries of the Rosary (1944), The Woman (1952), Mary, Tabernacle oft he Lord (978), Jesus, Son of Mary (1980).
Nicht weniger bekannt und berühmt wie als Schriftsteller wurde Fulton J. Sheen durch seine Radioansprachen und seine Fernsehsendungen. Zuletzt trafen wöchentlich an die 9000 Leserbriefe bei ihm ein. 30 Privatsekretäre wurden benötigt, um allen und überall gerecht zu werden.
Viele Bekehrungen bewirkte der erfolgreiche volkstümliche Prediger; unter diesen befinden sich u.a. der weltbekannte Autohersteller Henry Ford II. Und weiter: Claire Boothe-Luce, einstmals Botschafterin in Italien, die Sängerin Grace Moore, der Bühnenmaler Jo Mielziner, die viel gelesene Gladys Baker, die Filmschauspielerin Virginia Naya, der gefeierte Virtuose Fritz Kreisler, der Financier John Moody usw.
Die Umkehr des Erzkommunisten Louis Budenz, an dem Sheen acht Jahre gearbeitet und für den er viel gebetet hatte, erregte wohl das größte Aufsehen. Als Herausgeber des Daily Worker war Louis Budenz ja in ganz Amerika und darüber hinaus bekannt. Später hat dieser seine Bekehrungsgeschichte festgehalten. Da liest man:
«Monsignore (Sheen) beendete die Diskussion, indem er die noch auf dem Tisch liegenden Bestecke beiseite schob, beugte sich vor und rief: «Nun wollen wir uns über die Muttergottes unterhalten!» Der Vorschlag erschütterte den Angesprochenen; mit so etwas hatte er nicht gerechnet. Es trat ihm seine fromme Kindheit wieder klar vor Augen, und auch die Öde seines späteren Lebens. Nicht der Kommunismus würde der Welt das Heil bringen, sondern die Befolgung der Gebote Gottes. Und hatte nicht der Himmel schon 1917 in Fatima durch den Mund der Rosenkranzkönigin auf die aufkommenden Irrtümer Russlands hingewiesen?
Louis Budenz musste schließlich klein beigeben und kehrte in den Schoss der Kirche zurück. Er bekannte: «Von den Ereignissen meines bewegten Lebens war dieser Augenblick der Erinnerung an Maria der erregendste, der aufwühlendste.» (Vgl: L. Budenz: «Was will Moskau?»)
Gebete, die Gott um ein Eingreifen in diese Welt bitten, sind nach der Überzeugung eines Fulton J. Sheen das Allerwichtigste, das Notwendigste, bei jedem Apostolat. «Ich bete jeden Abend für Eisenhower und für Stalin», ein Wort von Sheen, das viele Zuhörer in Erstaunen versetzte! Aber hat nicht Jesus selber dazu aufgefordert? «Liebet eure Feinde und betet für die, die euch hassen» (Mt 5,44).
Fatima und seine Botschaft lagen Msgr. Sheen besonders am Herzen. Hatte dieses Wort Fatima nicht bei allen Anhängern des Islam einen überaus guten Klang? Trug doch die Lieblingstochter des Propheten Mohammed diesen Namen! Und wählen nicht viele Islam-Gläubige für ihre Mädchen und Frauen gerade diesen Namen, auch die Gastarbeiter hierzulande?
Fulton J. Sheen vertiefte sich in die Geschichte des Islam, vor allem in seine Geschichte in Portugal, das die Mohammedaner jahrhundertelang beherrschten.
Es war zur Zeit des Mittelalters, als in diesem Lande eine vornehme Dame mit dem Namen «Fatima» lebte, mohammedanischen Glaubens. Sie lernte einen christlichen Fürsten kennen, in den sie sich verliebte. Die Liebe wurde bald gegenseitig. Um ihren Freund besser kennenzulernen, vertiefte sich Fatima in christliche Literatur. Schließlich wollte sie Christin werden, sie empfing die Taufe und heiratete ihren Geliebten. Zu Ehren seiner neuen Gemahlin ließ der Fürst ihren damaligen Wohnort umbenennen, er hieß seitdem «Fatima». Diesen Flecken wählte 1917 die Muttergottes für ihre Erscheinungen und ihre Botschaften.
Fulton J. Sheen schildert in einem Aufsatz «Maria und der Islam» ausführlich, wie ehrfurchtsvoll und bewunderungswert das heilige Buch der Mohammedaner, der «Koran», über Jesus und Maria spricht. 34-mal erscheint dort der Name Maria. Man vertiefe sich in das 19. Kapitel des Koran. In 41 Versen wird dort der Mutter Jesu und ihrer Vorzüge gedacht.
In der portugiesischen Ortschaft Fatima nannte sich die Himmelsbotin «Rosenkranzkönigin» und unterstrich wiederholt die Wichtigkeit dieser Gebetsform. Auch die Mohammedaner haben ihren Rosenkranz, wenngleich ganz anderer Art. In aller Öffentlichkeit verrichten sie ihn. In der Eisenbahn oder in Autobussen, auf dem Weg zum Arbeitsplatz, kann man bisweilen Leute beobachten, die ihre Gebetsschnur, eifrig betend, durch ihre Hände gehen lassen.
Fulton J. Sheen ist fest davon überzeugt, dass die Muttergottes 1917 im portugiesischen Fatima auch erschien, um – neben ihren andern Anliegen – auch die beiden großen Religionen, Christentum und Islam, einander näher zu bringen. Neue Kriege müssen verhindert werden (man denke nur an die mittelalterlichen «Kreuzzüge»). Viel Unglück und Unheil ließen sich durch gegenseitiges Kennenlernen und Verstehen, durch wohlwollende Aussprachen und guten Willen verhindern.
Fulton J. Sheens Einfluss sollte sich über den gesamten Erdball ausbreiten, als er am 1. November 1960 zum Nationaldirektor der amerikanischen Missionszentrale ernannt wurde. Tausende von Missionaren warteten auf seine Unterstützung und ließen sich von seinen Vorstellungen beeinflussen. Damals verlegte er seinen Sitz für immer nach New York.
1966 brachte ihm, dem 71-Jährigen, eine letzte Überraschung: Man machte ihn zum Bischof von Rochester. Mit seinem Armutsideal aber waren hier viele nicht zufrieden. 1969 dankte er deshalb ab und zog sich in sein vertraut gewordenes New York zurück. Hier konnte er weiter segensvoll wirken als Schriftsteller, Radio- und Fernseh-Apostel, bis ihn Gott am 9. Dezember 1979 (2. Adventssonntag) heimholte in sein himmlisches Reich.
«Man versucht, seine Mutter so schön wie möglich zu machen!» davon ist jedermann überzeugt. «Christus hat es ebenso gemacht», fügt Fulton J. Sheen hinzu. «Wenn es einem von uns vergönnt gewesen wäre, eine Mutter nach seinem Wunsch zu haben, hätte er sie dann nicht nur zur schönsten Mutter der Welt gemacht? Da Jesus als einziger Sohn vor seiner Mutter existierte, musste die Madonna die schönste aller Mütter werden.»
In unseren Tagen holte man die sterblichen Überreste von Fulton J. Sheen, die man nach seinem Tode in der St. Patrick’s Kathedrale in New York beigesetzt hatte, heim in seine Heimatdiözese Peoria (Illinois). In einer Seitenkapelle, Unserer Lieben Frau von der Immerwährenden Hilfe geweiht, fand der verdienstvolle Apostel seine endgültige Ruhestätte. Ein vom Papst vor kurzem anerkanntes Wunder stärkt die Hoffnung, dass der einzigartige Jünger Jesu Fulton J. Sheen zur Ehre der Altäre erhoben wird.

Pater Paul-H. Schmidt