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Mamma Rosa: Eine Heilige mehr als eine Seherin!

Aus Anlass des 50. Jubiläums der ersten Erscheinung in San Damiano

Charisma und Heiligkeit
Charismen sind von sich aus nicht automatisch eine Bescheinigung von Heiligkeit. Es gibt Mystiker, die auf die schiefe Bahn gerieten. Bei einem ihrer Vorträge spielte Maria Simma, die Vertraute der Seelen im Fegefeuer, auf eine Person an, die dasselbe Charisma erhalten hatte wie sie selbst, die jedoch wegen ihres Hochmutes in die Irre gegangen war.
Es gibt auch Menschen, die leuchtende öffentliche Gnaden empfangen und dem Anschein nach doch in der «Mittelschicht des Heils» bleiben (gemäß dem Ausdruck des Schriftstellers Joseph Malègue, den Papst Franziskus zitiert).
Das ändert nichts daran, dass es gemäß der Tradition und des angeborenen Empfindens des Volkes Gottes angemessen, schlüssig und wünschenswert ist, dass der Gesandte Gottes heilig ist, das heißt dass er die Botschaft im Inneren seines Wesens und seines Verhaltens lebt.  
Jesus selbst benutzte dieses Argument, um seine Lehre zu bestätigen: «Wer von euch kann mir eine Sünde nachweisen?» (Joh 8,46)
Ob man will oder nicht, die Glaubwürdigkeit der Erscheinungen von San Damiano ist eng an das Leben des Werkzeugs gebunden, das erwählt wurde, um sie zu empfangen, sie in Erinnerung zu rufen und sie zu verbreiten. Es ist also von Nutzen, das Leben von Rosa zu bedenken, bevor man sich an ein übereiltes Urteil über die Botschaften wagt, die sie empfangen hat.
Die Tochter Quattrini war 20 Jahre lang (zwischen 1961 und 1981) Seherin, doch dieser spektakuläreren Gnadenzeit ging eine 52 Jahre dauernde verborgene Vorbereitung voraus (zwischen 1909 und 1961).
Soweit die menschliche Begrenztheit zu beurteilen vermag, verlief das Leben des Werkzeugs Marias ohne Bruch von der Geburt bis zum Tod in einem ununterbrochen innigen Glauben. Es wäre sogar ein interessanter Versuch, eine Biographie von Rosa zu schreiben, die ihre Erscheinungen außer Acht lässt. Dann würde man erkennen, dass diese Existenz in einer strahlend schönen, durchgehenden Harmonie unter der Regung des Heiligen Geistes gewachsen ist.

Durchschnittliche Talente, ein tief verwurzeltes geistliches Leben
Man sagt, dass Rosa erst im Alter von drei Jahren laufen lernte. Als Kind und junges Mädchen führte sie das Leben einer kleinen Bäuerin, die den Pflichten im Haus und auf dem Feld nachkam und die Schafe hütete, wenn sie an der Reihe war.
Sie hatte eine wache Intelligenz und ein gutes Gedächtnis, war aber nicht besonders «schulisch» und ging nur vier Winter lang bis zur «vierten Grundschulklasse» in die Schule. Sie begnügte sich ohne Bedauern mit diesem Niveau. Sie sprach hauptsächlich den Dialekt ihrer Region, den Piacentino. Sie konnte viele Gebete auswendig.
Ein Zeuge sagt: «Sie begriff instinktiv die Glaubenswahrheiten und betrachtete die Gegebenheiten der Welt nur durch sie, außerhalb jedes menschlichen Wissens, das ihr unzugänglich war.»
Die Heiligkeit bricht selten als eine spontane Generation auf. Oft wird sie von tief gläubigen Generationen vorbereitet. Diesen Eindruck bekommt man auch, wenn man die Vorfahren dieser vorbildlichen und bescheidenen Familie betrachtet.
Von ihren Eltern empfing die Kleine eine intensive christliche Ausbildung. Das Haus war fast wie ein Kloster. Der Glaube stand dort im Mittelpunkt und war der Motor jeder Existenz. Die vier Töchter wurden ein bisschen wie kleine Oblaten in den antiken Klöstern aufgezogen. Am Morgen nahmen die vier Schwestern an der Messe teil, bevor sie zur Schule gingen. Die sagenhafte Frömmigkeit des glorreichen und «heiligen Italiens» sickert in diesem behüteten Rahmen durch. Diese intensive Glaubenskraft ist beeindruckend und mehrere Regionen der Halbinsel sind noch heute ein verblüffendes Vorbild darin.
Ein Zeugnis von Rosa spricht diesbezüglich Bände:
«Mit Mama beteten wir jeden Tag den Rosenkranz. Wir hatten stets unseren Rosenkranz bei uns. Wir beteten den ganzen Tag über da, wo wir gerade waren. Den Engelrosenkranz oder den Wunden-Rosenkranz.
Und am Abend, wenn wir wieder zu Hause waren, schrieb jede von uns in ein kleines Heft, das Mama vorbereitet hatte, was sie tagsüber gebetet hatte.» (1 Mais, S. 16).

Jugendliche Innigkeit
Die dritte Tochter Buzzini beeindruckte durch ihren innigen Glauben und ihr «umfassendes Gebet». Was ist damit gemeint? Vermutlich übte das Kind bereits das, was die Mönche des Ostens empfehlen: das immerwährende Gebet.
Wegen der «kulturellen Errungenschaften» trug ihre Religiosität nach außen hin die Züge der Volksfrömmigkeit. In Wirklichkeit war ihr Gebet auf lebendige Personen ausgerichtet: Jesus und Maria.
Die Jugendliche ging nicht in die Falle eines egoistischen und um sich selbst kreisenden Innenlebens. Sie verausgabte sich dauernd und eifrig für die anderen.
Der Ewige Vater sagte zur heiligen Katharina von Siena, der Patronin Italiens:
«Ich habe Gefallen an wenig Worten und vielen Werken.» Und er fügt hinzu: «Ich will die zahlreichen Werke eines unerschrockenen Leidens, das das Ergebnis der Geduld und der anderen inneren Tugenden ist, die alle aktiv sind und würdige Früchte der Gnade hervorbringen.» (Dialog Nr. 11)
Zu Rosas Aktivitäten gehörte die Sorge um die Kinder. Sie kümmerte sich um die Kleinen und lehrte sie den Katechismus. Übrigens bezeugt Tante Adèle Buzzini, dass ihre Nichte stets demütig, gehorsam und in die Gemeinde eingegliedert war. «Sie trat in die Katholische Jugendbewegung ein. Sie kam immer pünktlich zu ihren Katechismus-Treffen.» (1 Mais, S. 18).
Anna, die Tochter, die ihren Vater in ihrer Todesstunde beunruhigte, sagt uns, welchen Eindruck sie von ihrer Schwester hatte: «Sie hatte ein ruhiges, sehr sanftes Wesen, genau das Gegenteil von mir… Schwester Pierina (die Älteste, die Ordensfrau vom Heiligsten Herzen in Brasilien geworden war) und Rosa waren sanft und gehorsam und halfen Mama immer sofort. Das ist absolut wahr, denn weder die eine noch die andere wurden je bestraft, während wir jeden Tag bestraft wurden, weil wir uns stets eine neue List ausdachten.
Heute verstehe ich, warum unsere Mama Rosa nie schimpfte. Sie war ein vorbildliches Mädchen, das ihren Eltern keine Sorgen bereitete und immer sofort gehorchte.» (Vita, Moretti p. 32).
Anna und ihre Schwester sangen regelmäßig im Kirchenchor und waren stolz auf ihre schönen Stimmen. Als sie nach Hause zurückkamen, ließen sie Rosa ihre Überlegenheit spüren, die mit ihnen singen wollte. Doch da sie falsch sang, verjagten ihre beiden Schwestern sie und sagten, dass nichts aus ihr herauszuholen sei. Anstatt beleidigt zu sein, lachte Rosa herzlich darüber: «Ihr singt hier auf Erden, ich werde im Himmel singen!» Diese gute Laune ist das Zeichen einer frühen Tugend und einer großen Losgelöstheit von sich selbst.

Ein kürzlich erhaltenes Zeugnis
Letzten Donnerstag befand ich mich in der Buchhandlung Leoniana in der Nähe der Kolonnade von Bernini. Als ich den Laden verließ, brach ein Gewitter los. Ein liebenswürdiger, gütiger Priester, der auf der Straße vorbeiging, stellte sich am Ladeneingang unter.
Wir sprachen eine knappe Stunde über Themen, die sich um Heiligenleben drehten. Ich sprach auch über San Damiano und über Medjugorje. Mein demütiger und gelehrter Gesprächspartner erhob keinen ernsthaften Widerspruch. Ich bemerkte schon bald, dass dieser Priester ein bedeutender Prälat war. Als ich nachfragte, erfuhr ich, dass ich es mit Kardinal Saraiva Martins José, einem portugiesischen Claretaner-Pater zu tun hatte, der von 1998 bis 2009 Präfekt der Kongregation für die Heiligsprechungsprozesse war. Er erklärte mir stolz, dass er im Lauf seines Lebens 1300 Heilige oder Selige «fabriziert» hatte. Er hatte ein Dekret unterzeichnet, das die Feier der Seligsprechungen nunmehr dem Präfekten seines Dikasteriums übertrug. So leitete er die Seligsprechungsfeiern der ersten Ehepaare der Geschichte: die des Ehepaares Beltrame Quattrocchi und die des Ehepaares Martin. Als persönlicher Freund von Lucia von Fatima erzählte er mir mehrere humorvolle Geschichten über sie.
Es war als gehörten wir zur selben Familie…
Auch Mamma Rosa gehört zu dem gesunden, einfachen und robusten Volk der heiligen Bauersleute, die die ganze Geschichte der Kirche abstecken.
Demnächst wird ein weiterer Artikel zeigen, dass die auffallendsten Gnadenerweise, die die Gattin von Giuseppe Quattrini empfing, ihrem Innenleben nicht im Entferntesten schadeten, sondern den sittlichen und übernatürlichen Bau nur verstärkten, den der Himmel langsam auf der Taufgnade dieser Erwählten des Herrn errichtet hatte.
Diese großartige Architektur erinnert mich an das, was der junge Henri Diffiné (Déhival) in einem Brief vom 27. Dezember 1921 schrieb:
«Manchmal zittere ich am ganzen Leib, wenn mir klarer bewusst wird, was der Liebe Gott in meinem vergangenen Leben für mich getan hat. Seine Hand hat mich bewahrt und geformt. Seit dem Erwachen meines Verstandes und fast schon in der Zeit davor machte sie aus mir eine Einheit, in der alles auf dasselbe Ziel zugeht: Er, immer nur er. Und all das, weil es ihm so beliebt. All das tat er und tut es noch immer, weil es ihm so beliebt. Sie werden keinen anderen Grund finden.»

von Pater Marc Flichy, Diözese von Versailles und Loreto

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