Hildegard von Bingen
Prophetische Lehrerin der Kirche an der Schwelle und am Ende der Neuzeit
Wohl nie in der deutschen Geschichte fiel soviel Licht von oben auf einen Menschen wie bei Hildegard von Bingen. Hildegard von Bingen gilt als die größte deutsche Frau des Mittelalters; sie war Gründerin und Äbtissin des berühmten Klosters Rupertsberg, diktierte in lateinischer Sprache drei bedeutende theologische Werke und eine Heilkunde, schuf Hymnen und musikalische Werke (ihr «Ordo virtutum» wurde vom Ersten Deutschen Fernsehen ausgestrahlt). Sie unternahm weite Reisen als Klostervisitatorin und wirkte durch ihren umfangreichen Briefwechsel als Beraterin der Großen in Kirche und Welt. Dies alles vollbringt sie nicht als wissenschaftlich arbeitende Frau, sondern lebend in der reichen klösterlichen Tradition, getrieben vom Geist Gottes, erleuchtet von prophetischer Schau und deshalb von ihren Zeitgenosen «prophetissa teutonica» genannt. Die Kraft dazu ringt sie einem lebenslang kränkelnden Organismus ab.
Eduard Gronau, ein evangelischer Pfarrer, durch «Zufall» mit Hildegard bekannt geworden, aber unwiderstehlich von ihr gepackt, legt uns ein grossartiges, theologisch nicht nur einwandfreies, sondern auch tiefes, das Leben und Werk der hl. Hildegard sehr anschaulich schilderndes Buch vor. Es gelingt Gronau, das Weltbild und die Theologie Hildegards so allgemeinverständlich darzustellen, dass hier ein christlicher Kosmos in universaler Fülle erstrahlt, der auf dem Hintergrund des heutigen Nihilismus und des sterilen Auswahlchristentums den Leser wie eine Offenbarung überfällt. Manche Parallelen zur gegenwärtigen Situation der Kirche und Welt drängen sich geradezu auf, und man versteht die neuesten Bestrebungen, Hildegard zur Kirchenlehrerin zu erklären. Ein faszinierendes Buch, ein ideales Geschenk.